FDP-Chef Dr. Thomas Nitzsche im OTZ Interview: „Jenas Verkehrsvision bis 2050 ist wie eine ‚Villa Kunterbunt‘ der Planer“
Im Interview mit der „Ostthüringer Zeitung“ (OTZ) hat der Kreisvorsitzende der Jenaer Liberalen Dr. Thomas Nitzsche den Konzeptentwurf „Leitlinien Mobilität in Jena 2030“ kritisiert, der dem Stadtentwicklungsausschuss des Jenaer Stadtrats seit Ende vergangener Woche vorliegt. „Das ist ein 17-seitiges Papier mit lauter wirklichkeitsfremden Wunschvorstellungen, das unter dem Strich nur einen Zweck verfolgt, den Pkw-Verkehr aus der Stadt zu verbannen“, unterstrich Nitzsche, der Vorsitzender des Beirates Kfz-Verkehr im Jenaer Stadtrat ist.
Auch wenn das Konzept keine konkreten Maßnahmen festlege, sondern eine Vision darstelle, gebe es einen roten Faden: Fußgänger und Radfahrer sollen künftig die Geschwindigkeit in Jena bestimmen. Der Fahrzeugverkehr im Innenstadtbereich solle auf ‚Schritttempo‘ heruntergeregelt werden. Das sei eine einseitige Benachteiligung des Individualverkehrs, statt eines Miteinanders aller Verkehrsarten, wie sie im bisherigen Verkehrskonzept seit 2002 festgeschrieben ist, mahnte er. Dr. Thomas Nitzsche bemängelte außerdem, dass sich der Entwurf des Gutachters Karl Heinz Schäfer aus Köln laut Stadtentwicklungsdezernent Denis Peisker (Grüne) in Form, Aussage und Struktur an den Entwicklungsplan Verkehr der Stadt Berlin anlehnt und lediglich inhaltlich auf die Stadtgröße Jenas angepasst wurde. Genau in diesem Ansatz sieht Nitzsche das Problem: „Schäfers Vision, dass sich leben, einkaufen, arbeiten nur noch innerhalb von überschaubaren Stadtteilen abspielt, in denen sich alles zu Fuß oder per Fahrrad erreichen lässt, entspringt einer Berliner Kiezromantik, die an den realen Jenaer Verhältnissen völlig vorbei geht“, konstatiert Nitzsche.
Allein von der Geografie her sei nicht jedem zumutbar, dass er seinen Einkauf mit dem Fahrrad in die höher gelegenen Straßen der Wohngebiete bringen könne, so der Liberale. Auch das große Thema Berufspendler spiele in dem Konzept keine Rolle, ebenso wie die Zentrumsfunktion der Stadt Jena für die Menschen aus dem ländlichen Umfeld ausgeblendet werde. Hier werde von Verkehrsarchitekten ein idealisiertes Bild der Zukunft entworfen, in der es praktisch kaum noch eigene Pkw der Stadtbewohner gibt, gegen das allein schon die steigende Zahl der in diesem Jahr zugelassenen Pkw in Jena spreche, führte Nitzsche aus. Was den bekennenden Stadt-Radfahrer von der FDP – dem man deshalb nun wirklich nicht unterstellen kann, ein bedingungsloser Freund der Autofahrer zu sein – aufregt, sind zwei Dinge: 1.) Das Auto wird pauschal zum Buhmann gemacht. 2.) Die Optimierung des tatsächlich vorhandenen Verkehrs läuft irgendwo ‚unter ferner liefen‘. „Statt dessen sollen Waren von Verteilplätzen am Stadtrand mit Elektrokarren und Elektrofahrrädern ins Zentrum gebracht werden“, betonte der Beiratsvorsitzende.
Außer bei den Grünen und bei Teilen der SPD-Ausschussmitglieder sei das Konzept bei CDU, Linken und Piraten im Stadtentwicklungsausschuss auf breite Ablehnung gestoßen, so der Kreisvorsitzende der FDP Jena. Laut Stadtentwicklungsdezernent Peisker ist die Diskussion jedoch „ergebnisoffen“ – sprich: Es sei bislang nichts entschieden, so der Grünen-Spitzenpolitiker gegenüber der OTZ. Erst im Frühjahr 2016 solle ein Beschluss zu den „Leitlinien Mobilität in Jena“ entstehen.
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Ein Kommentar
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OTZ-Jena Chefredaktuer Lutz Prager kommentiert hierzu in seiner Zeitung unter anderem:
Die heute praktizierte Politik, bis hinunter in die Kommunen, hat oft genug einen anderen Anspruch: Erziehung der Massen und Durchsetzung von Minderheiten-Vorstellungen. Dem entspricht auch die Lektüre des Entwurfs zum Verkehrsentwicklungskonzept Jena 2030. So richtig konkret wird es da nur an wenigen Stellen, und dennoch könnte am Ende unter jeder Seite stehen: Wir wollen keine Autos mehr in Jena!
Das hat mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun, könnte (sollte es denn so beschlossen werden) aber als Legitimation dienen, immer mehr konkrete Maßnahmen zur „Verkehrsberuhigung“ durchzusetzen. Das ist Gift für eine Stadt, deren Wirtschaft und Wissenschaft und deren Bürger individuelle Mobilität brauchen. Es geht nicht um „entweder oder“, sondern um faires „sowohl als auch“.