17 TAGE EUROPA | Montag 2002-08-05 | STRANDGUT (Teil Zwei)
Der zwölfte Tag: Raststätte Hünxe/Arnheim/Apeldoorn/Meppel/Herrenveen/Sneek/Ijsselmeer/Den Helder
Losung am 5. August
„Man kann die Menschen in zwei Gruppen einteilen:
Bei der einen ist der Hut für den Kopf da,
bei der anderen der Kopf für den Hut.“
(Jacques Tati)
Nicht ganz europäischer Nachtrag zum 05. August
Am 05. August 1962 wurde in den USA der leblose Körper einer Frau aufgefunden, der fast schon ein öffentlicher Körper gewesen war. Sexgöttin nannte man sie, außen Vamp und innen das ewige Kind, die blonde Venus. Und trotzdem gewinnt man mit diesen falschen Attributen nicht einen Zentimeter Land auf der „terra incognita“ dieser Frau. – War es Mord oder Selbstmord? Für beide Thesen gibt es genügend Gründe zur Annahme. Und noch mehr Fragen.
Wurde sie erpresst, weil sie als fast noch Jugendliche in einem Pornofilm mitgespielt hat? War sie als Geliebte des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika nur ein Spielball oder schon ein Sicherheitsrisiko geworden? Oder war sie einfach nur unglücklich? Als Mensch, als Frau, als Schauspielerin?
Blond war sie nicht immer gewesen. Damals, in ihrem ersten Leben als Norma Jeane Mortensen, Taufname Baker, Jahrgang 1926, hatte sie ein sehr schönes Nussbraun als Haarfarbe. Mit 16 heiratete sie einen Flugzeugmechaniker, wohl um aus der Tristesse ihres Elternhauses zu fliehen. Später dann, als Star, heiratet sie noch zwei weitere Male und zwar einen amerikanischen Volkshelden des Baseball und einen berühmten Schriftsteller. Stets ohne Glück in der Liebe zu finden.
Dem Wunsch eine beliebte Schauspielerin zu werden, folgt bald die Ernüchterung, dass dies als realer Mensch nicht zu schaffen ist. Aus Norma Jeane wird Marilyn und aus Frau Baker wird DIE Monroe. Auch die Haare ändert sie von nussbraun in blond; ihr Image folgt von artig und brav in dumm-lasziv und erotisch. Obwohl sie ihr weiteres Leben fast schon als Wanderpokal im Babel Hollywood sieht, glaubt diese Frau dennoch fest daran, dass sie ihr Glück machen wird, auch wenn sie sich mit Hilfe ihres Körpers nach oben kämpfen muss.
Und – bitte nicht vergessen, dies ist Hollywood – das Unfassbare geschieht: Aus der Raupe Norma Jeane wird über Nacht der glitzernde Star. Und das brave Mädchen aus der Provinz spielt seine Glamour-Rolle perfekt, macht die Männer massenhaft verrückt und die Hersteller von Wasserstoffsuperoxyd reich. Hollywood buhlt um ein weiblichen Wesen, das man Monate zuvor wie eine Bittstellerin abgewiesen hatte. Hinreißend spielt sie in Komödien ihre Rolle, gibt all ihr Talent, wenn sie singt, ist das erste Playmate des ersten PLAYBOY-Heftes.
Doch diese Frau ist nicht so dumm, wie alle sie sehen. Marilyn will ins seriöse Fach und alle lachen über ihren neuesten Scherz. Bald erscheint sie nüchterner und pünktlicher bei ihren Therapeuten als am Set ihrer Filme. Wieder gibt sie alles…doch Hollywodd ist irritiert. Braucht man „so“ eine Marilyn? Warum will sie aus ihrer erotischen Sparte ausbrechen?
Die Sache eskaliert. Im Sommer vor vierzig Jahren erlebt Marilyn eine Enttäuschung nach der anderen. Die Tragik beginnt als sie im Mai „ihrem“ Präsidenten – dem sie im Verborgen alles gegeben hat: ihre Liebe, ihren Körper, ihre Seele – öffentlich ein privat-intimes Geburtstagsständchen singt, wie es die Welt noch nicht erlebt hat. Vor allem, wie sie singt und was sie dabei nicht singt ist entscheidend. Des Präsidenten Ehefrau ist schockiert und Kennedys Berater raten ihm dringend ab: „diese Frau“ wird zu heiß für ihn, hat das Potential, ihn zu ruinieren, auch wenn „diese Frau“ selbst das niemals im Leben machen würde. JFK zieht die Notbremse.
Norma Jeane ist am Boden zerstört, ist schon wieder sitzen gelassen worden, ausgenutzt und dann weggeworfen. Drei Monate später wirft sie dann ihr Leben weg. Am 05. August 1962. Viel zu viel Schlaftabletten und Alkohol findet der Gerichtsmediziner in ihrem schönen Körper.
„Goodbye Norma Jeane…“, sang einmal ein anderes Pseudonyn namens Elton John über sie, doch nur wenige Jahre später ändert er ihre Textzeile für eine englische Lady in „Goodbye Englands Rose…“. Dies ändert jedoch nichts daran, dass er Musik und Text „Candle in the wind“ einzig und allein für die Frau geschrieben hatte, die am 05. August 1962 ihr Leben aushauchte: „Loneliness was tough, the toughest role you ever played“.
Und dazu hatte Marilyn sogar das Streichholz immer in der Hand gehalten, sich daran die schönen Finger verbrannt. Warum sie es nicht ausgeblasen hat? Vielleicht, weil sie dann für immer nur Norma Jeane geblieben wäre: Norma Jeane Mortensen, Baker, Dougherty, DiMaggio, Miller. Und das wollte sie schießlich niemals wieder sein. Eine gewöhnliche Frau. Dann lieber als eine Legende sterben: „…your candle burned out long before your legend ever did…“.
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