„Auf zwei Beinen über Stock und Stein“: Bewegungsforscher vergleichen unter Beteiligung der FSU die Fortbewegung von Mensch und Vogel
Es ist ein Phänomen, das sicher jeder Jogger kennt: Beim Laufen über unebenen Waldboden oder querfeldein taucht plötzlich ein Stein oder eine Wurzel auf oder der Boden senkt sich in eine Kuhle. Dann geht der Schritt ins Leere oder trifft auf ein Hindernis und der Laufrhythmus wird gestört. „Dennoch geraten wir auch im schnellen Lauf in solchen Situationen meist nicht ins Straucheln“, sagt der Bewegungswissenschaftler Dr. Roy Müller von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU). Denn: Zweibeiner – unter ihnen der Mensch – verfügen in der schnellen Fortbewegung über eine Reihe von Anpassungsstrategien, die ihre Laufbewegung stabilisieren. In der aktuellen Ausgabe des Journal of the Royal Society Interface hat Dr. Müller gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Yvonne Blum und der britischen Forscherin Dr. Aleksandra Birn-Jeffery eine Übersichtsarbeit veröffentlicht, in der sie den Laufstil von Menschen und Vögeln analysieren.
„Die Fortbewegung auf zwei Beinen hat sich bei Mensch und Vogel im Laufe der Evolution unabhängig voneinander entwickelt“, sagt FSU-Wissenschaftler Müller. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in dieser sogenannten bipedalen Fortbewegung auf unebenem Boden seien bislang aber kaum untersucht worden, erläutert der Jenaer Bewegungsforscher den Ansatz der aktuellen Publikation. Während er selbst und das Team des Jenaer Lehrstuhls für Bewegungswissenschaft in den vergangenen Jahren umfangreiche Daten zur Fortbewegung von Menschen erfasst haben, verfügten die britischen Kollegen der University of Cambridge über entsprechende Ergebnisse zur Fortbewegung von Vögeln. „Diese haben wir in der aktuellen Arbeit nun erstmals zusammengeführt“, macht Müller deutlich, der Erstautor der Publikation ist.
Demnach gibt es, aufgrund der unterschiedlichen Anatomie, durchaus Unterschiede in den Bewegungsabläufen von Mensch und Vogel. So ist der Oberschenkel (Femur) eines Vogels eher horizontal ausgerichtet – beim Menschen bekanntermaßen vertikal. „Das führt zu Unterschieden beim Laufen, etwa dem Winkel, mit dem das Bein auf den Boden gesetzt wird“, sagt Roy Müller. Dennoch lassen sich die Laufbewegungen von Mensch und Vogel mit Hilfe eines einheitlichen Modells, des sogenannten „Masse-Feder-Systems“, hinreichend exakt beschreiben. Dieses Modell stellt die Beine vereinfacht als elastische Federn dar, die die Körpermasse tragen. Auf diese Weise lassen sich in Laufexperimenten erhobene Daten mit Hilfe des Modells direkt miteinander vergleichen.
Beim Laufen in unebenem Gelände passen sowohl Mensch als auch Vogel die Bewegung an die Unebenheiten an. „Und dies – obwohl es sich um gänzlich unabhängig entwickelte Mechanismen handelt – auf recht ähnliche Art und Weise“, nennt Müller ein Ergebnis der vorliegenden Arbeit. Im Falle einer Vertiefung im Boden, zieht der Läufer das Schwungbein in der späten Schwungphase zurück, was zu einem steileren Aufsatzwinkel des Beines führt. Gleichzeitig wird das Bein „verlängert“, indem es gestreckter aufsetzt. „Anders als Vögel modulieren Menschen zudem über die Federfestigkeit den Bewegungsablauf.“
Diese Erkenntnisse, so machen die Autoren deutlich, sind in erster Linie Grundlagenforschung. Langfristig lasse sich das Wissen über die Fortbewegung von Zweibeinern aber auch praktisch nutzen – etwa in der Verbesserung der Fortbewegung von humanoiden Robotern.
« Jenas neue Unternehmensdatenbank geht online: Kostenloses Verzeichnis ist ab sofort im Internet einsehbar und kann selbst editiert werden Neue Ausstellung im Stadtspeicher „Joachim Dette: Das Flüchtige festgehalten“ startet morgen, aber heute Abend ist schon die Vernisage »