„Wir müssen befürchten, dass Schiparelli zerstört ist“: Die Mars-Forschungssonde ist wohl mit zu hoher Geschwindigkeit auf dem Mars aufgeprallt

21.10.16 • INTERESSANTES, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, WISSENSCHAFT, MEDIZIN & TECHNIKKeine Kommentare zu „Wir müssen befürchten, dass Schiparelli zerstört ist“: Die Mars-Forschungssonde ist wohl mit zu hoher Geschwindigkeit auf dem Mars aufgeprallt

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jezt-das-wissenschaft-logo-abbildung-mediapool-jena(BERNHARD DOEPFER) – Nur knapp sieben Monate hatte der Flug der europäisch-russischen Raumsonde „Trace Gas Orbiters“ (TGO) von der Erde zum Mars gedauert und war damit knapp ein Drittel schneller gewesen, als es etwa die NASA mit ihren Marssonden praktiziert. Dass die Forschungssonde samt der Testlandemoduls „Schiparelli“ daher mit sehr hoher Geschwindigkeit am Roten Planeten ankommen würde, war bekannt und wurde berücksichtigt. So wird nun der TGO durch allmähliche Annäherung an den Planeten Umlauf für Umlauf durch die Reibung der Marsatmosphäre an den großen Solarpaneelen immer weiter abgebremst, damit die Sonde langsam auf eine kreisförmige 400-Kilometer-Umlaufbahn gebracht wird. Soweit so gut: dieser Teil der Mission hat offensichtlich problemlos geklappt, das TGO-Triebwerk für ein entscheidendes Bremsmanöver hat funktioniert und der „Trans Gas Orbiter“ konnte tatsächlich in die Umlaufbahn um den Mars einschwenken.

Doch der zweite Teil der Mission ging augenscheinlich schief. Kurz vor dem Auftreffen bzw. der Landung auf der Mars-Oberfläche ging das Signal zur der Raumsonde „Schiaparelli“ verloren, wie die Nachrichtenagentur RIA Novosti meldete. Der Vertreter der europäischen Weltraumagentur ESA, Andrea Accomazzo, nannte das, was passiert ist, eine „Notfallsituation“ für das Test-Landemodul. „Test“ deshalb, weil „Schiparelkli“ im Grunde keine vollwertige Sonde war, da das Landemodul aus viel Beton (= Ballast) und ein wenig Technik bestand, denn die ESA will in drei Jahren auf ähnliche Weise einen Rover auf dem Mars absetzen und man nutzte jetzt die Gelegenheit, das Absetzen eines ähnlich schweren Objektes auf dem Roten Planeten unter realistischen Bedingungen zu testen. Und dieser Test lief anfangs gar nicht mal so schlecht, obwohl es ein vorhersehbarer Höllenritt war, 175 Millionen Kilometer von der Erde entfernt.

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Schiparelli with Parachute Artist Image – Abbildung © ESA

„Schiaparelli“ trat mit 21.000 Kilometern in der Stunde in die Marsatmosphäre ein und wurde ob seiner geschwindigkeit ziemlich unsanft von dieser abgebremst. Dabei musste ein neu konstruierter Hitzeschild aus Kork und Phenolharzendie Hitze abhalten, was den empfangenen Daten nach auch „perfekt und problemlos funktioniert“ habe, wie Accomazzo gestern bei der ESA-Pressekonferenz sagte. Rund elf Kilometer über dem Marsboden sollte sich bei doppelter Schallgeschwindigkeit der zwölf Meter große Fallschirm öffnen und „Schiaparelli“ weiter abbremsen. Auch das Ausfahren dieses Fallschirms und das weitere Abbremsen habe wie geplant geklappt, erklärte Andrea Accomazzo. Danach wurde der Fallschirm planmäßig abgetrennt und die Bremsdüsen sollten etwa eine halbe Minute lang zünden und das dann etwa 300 Stundenkilometer schnelle Test-Landemodul weiter zu verlangsamen, damit die Sonde dann mit nur noch etwa einem Meter pro Sekunde mit seinem Airbag auf dem Mars auftrifft und nach ein, zwei Hopsern schließlich zum Stehen kommt.

Doch, so berichtete Accomazzo, hier habe sich die Sonde anders verhalten als vorgesehen. Zwar hätte sowohl das Radar zur Abstandskontrolle funktioniert als auch die Bremstriebwerke, doch hätten diese nur drei oder vier Sekunden gefeuert, also „viel kürzer als vorgesehen“, sagte Accomazzo. Deshalb gehe man im Moment davon aus, dass „Schiparelli“ bis kurz vor dem Aufsetzen noch eine Annährungsgeschwindigkeit von circa 250 Stundenkilometer hatte und durch die Wucht des Aufpralls zerstört wurde.

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ESA Lander Beagle-2 auf dem Mars entdeckt – Foto © NASA HiRes MRO-Image

Dass „Schiaparelli“ auf dem Mars angekommen ist, wurde vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt am Mittwoch bestätigt, das das Manöver gesteuert und überwacht hatte. Von der erfolgreichen Landung sollten dann die ersten eigenen Signale der Sonde zeugen, auf die man jedoch seit Mittwoch vergeblich wartete. Nun sollen hochauflösende Fotos der verschiedenen Mars-Orbiter von NASA und ESA vom vermutlichen Landeplatz für weitere Klarheit sorgen – wie lange dies dauern wird, ist schwer zu sagen.

Lang verschollen war auch der „Beagle-2“-Lander der ESA, der 2003 an Bord der „Mars-Express“-Sonde zum Roten Planeten reiste und seither verschollen war, bis er etwas mehr als elf Jahre später wiedergefunden wurde. Auf hochauflösenden Fotos des Mars Reconnaissance Orbiters (MRO) der NASA konnte damals das kleine Landegerät identifiziert werden. Alle Kontaktversuche mit „Beagle-2“ waren seinerzeit erfolglos geblieben, ebenso wie die Suchaktionen mehrerer Mars-Satelliten: Verbleib und Schicksal des Landegerätes lange ungeklärt. Doch zeigten die Fotos des MRO, dass die Landung von „Beagle-2“ weit besser verlaufen sein muss, als ursprünglich vermutet. Die Manöverabfolge aus Eintritt in die Marsatmosphäre, Abstieg zur Oberfläche und der Bodenkontakt müssen weitgehend so funktioniert haben, wie vorgesehen, denn nachdem er an der Oberfläche des Mars angekommen war, konnte sich der Lander immerhin teilweise entfalten – nur senden konnte er offenbar nicht.

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Möglicher Aufschlagpunkt von Schiparell – Bildquelle: MRO NASA/JPL-Caltech/MSSS

Auf einem aktuellen Foto des MRO vom Freitag, aufgenommen an der geplanten Landestelle, ist im Bildausschnitt rechts oben ein größerer schwarzer und unten ein kleinerer heller Fleck zu sehen, was jedoch noch Interpretationsspielraum lässt. Klar zu sein scheint, dass es sich bei dem weißen Fleck um dem Bremsfallschirm handelt. Aber es sei grundsätzlich möglich, dass an der Stelle des dunklen Flecks bei einer kontrollierten Landung Bodenmaterial aufgewirbelt wurde und ein Krater entstanden ist, so die ESA. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass „Schiaparelli“ wegen seiner noch weitgehend vollen Treibstofftanks beim Aufprall explodiert ist. „Wir müssen befürchten, dass Schiparelli zerstört ist“, so ESA-Chef Jan Wörner am späten Freitagabend.





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