„Muss Jenas Schuldenuhr angepasst werden?“: Experten warnen vor zu wenig Rücklagen für zu viele Versprechen bis 2022
Die Lichtstadt Jena ist in vielerlei Hinsicht Spitze, wozu unzweifelhaft auch das vorbildliche Entschuldungskonzept gehört, wonach unsere Stadt weiter Jahr um Jahr drastisch Schulden abbaut und in sieben Jahren sogar gänzlich schuldenfrei sein soll. – Jedenfalls, wenn man der stetig auf eine schwarze Null zulaufende Schuldenuhr im Internet vertraut. Doch viele Bürger fragen sich inzwischen: Kann das noch stimmen, angesichts großer und teurer Projekte der näheren Zukunft?
Stadionneubau, Volkshaus-Kongresszentrum, Eichplatz-Bebauung, Straßenbahn nach Zwätzen, Inselplatz-Campus, Deutsches Optischen Museum, Umgehungsstraße in Isserstedt, Kunsthaus, Verwaltungsneubau am Engelplatz: Um all diese Versprechen zu finanzieren, müsste die Stadt Jena mit ihren Eigenbetrieben entweder hohe Steuermehreinnahmen oder alte Rücklagen haben, wenn sie keine neuen Schulden aufnehmen will. Zuminest letztere jedoch sind in den nächsten beiden Jahren wohl endgültig aufgebraucht, so dass, wenn man alle angekündigten Projekte aufaddiert, in der Realisierung ein finanzielles Defizit in Höhe von bis zu 100 Mio. Euro drohen könnte – jedenfalls, wenn sich nicht die erwünschten Fördermittel einstellen sollten.
Eigentlich gilt Jena deutschlandweit als das leuchtende Beispiel für eine solide Finanz- und Haushaltspolitik. Mit einer im Jahre 2022 abgeschlosenen Entschuldung wäre unsere Stadt dann sogar ein großes Vorbild für andere Kommunen. Doch zwischen den von Jenas Stadtregierung den Bürgern versprochenen Großprojekten und deren Finanzierung klaffen nach Expertenmeinung zukünftig große Lücken und damit enorme Risiken, die in den kommenden Jahren auf die Politik zukommen. Ungewöhnlich dabei: So richtig angepackt hat die Koalition aus SPD, CDU und Bündnis-Grünen diese Themen noch nicht. Hauptproblem: Nach einem Jahrzehnt üppiger Steuermehreinnahmen lebte man in den vergangenen Jahren von den zuvor gebildeten Rücklagen, um bisherige Versprechen zu finanzieren. Nachdem beim Eigenbetrieb Kommunale Immobilien aber mittlerweile die einstigen Millionen aus dem Verkauf der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft aufgebraucht sind, müsste in den kommenden Jahren Schmalhans Küchenmeister der Stadt Jena sein. Dennoch ist die Wunschliste der Zukunft lang und teuer.
Inzwischen weiß auch der Jenaer Oberbürgermeister, dass es bei Realisierung aller zugesagten Großprojekte in fünf Jahren – also bis 2021 – eine Finanzierungslücke von mindestens 50 Mio. Euro geben könnte. Kritisch wird die Finanzlage nach Ansicht von Finanzexperten bereits 2019, wenn die Eigenbetriebe Kommunale Immobilien Jena und Kommunalservice Jena zusammen eine Deckungslücke von rund 25 Mio. Euro vor sich herschieben dürften, sofern alle unmittelbar vorgesehenen Projekte umgesetzt werden – inklusive „Luft“ nach oben nach der nächsten Kommunalwahl. Wie diese Finanzierungslücken geschlossen oder gemindert werden können, dafür gibt es derzeit noch kein wirkliches Konzept, außer, dass man neue Kredite aufnehmen könnte, was bei den derzeitigen Zinsraten durchaus verlockend wäre. Dem gegenüber steht aber nach wie vor der Wunsch von 90 % der Jenaer Bürger, das städtische Entschuldungskonzept weiterzuführen.
Aber dieses vorbildliche und viel gelobte Konzept ist bereits seit einiger Zeit aufgeweicht, erlaubt es doch z. B. die Aufnahme von Krediten, wenn damit eine Refinanzierung aus der Nutzung des kreditierten Objektes möglich ist. Deshalb ist es mehr als fraglich, ob die schwarze (gewerbliche) Kreditkurve der Schuldenuhr-Grafik tatsächlich bis Ende 2022 so kontinuierlich im Sinkflug nach unten führen wird, wie es diese Grafik seit Jahren hartnäckig simuliert. Schließlich ist auf den drei Grafikabbildungen von 2014, 2015 und 2016 als Prognose immer die gleiche schwarze Kurve zu sehen, obwohl doch in dieser Zeit einige Kredite neu aufgenommen wurden, u. a. für neu zu bauende Flüchtlingsheime.
Wie der Grafik entnommen werden kann, schmolz die Schuldenlast der Stadt Jena bislang von einst 160 Millionen Euro über das Jahr 2009, in dem die 100 Millionen Euro Grenze „geknackt“ wurde, das Jahr 2012, als es nur noch 62 Millionen waren, ins aktuelle Jahr mit nun noch rund 44,2 Millionen Euro Minus. Zum Vergleich: Vor genau einem Jahr hatte die Stadt Jena noch rund 2,1 Mio. Euro mehr Schulden (siehe mittlere Grafik). Vorerst kann man, wenn doch wieder sog. „schwere Haushaltszeiten“ auf unsere Stadt zukommen sollten (und dies hat man in Jena in dem genannten Stadtratsbeschluss eingebaut) erst einmal auf ein zusätzliches Zeitpolster setzen und die Entschuldung ggf. bis zum Ende des Doppelhaushalts 2023/2024 verlängern.
Trotzdem scheint es dringend geboten, von nun ab im Stadtrat offen über die finanziellen Probleme unserer Stadt zu reden, damit am Ende nicht der Eindruck entsteht, den Bürgern seien vor der Kommunalwahl 2019 Projekte versprochen worden, die danach nicht wirklich zu finanzieren sind.
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