„Navigationssystem für Arzneistoffe“: Rund 10 Mio. Euro gibt es für den neuen Sonderforschungsbereich der FSU in Jena
Woher weiß die Kopfschmerztablette eigentlich wo der Kopf ist? Und wie gelangt der Wirkstoff aus dem Magen genau dort hin? Diese einfachen, wie zugleich verblüffenden Fragen machen ein Grundproblem der systemischen Arzneimitteltherapie deutlich. Denn natürlich „weiß“ die Tablette nicht, wo genau sie wirken soll. Das verabreichte Medikament verteilt sich einfach überall im Körper und wirkt – sowohl am erwünschten Ort als auch anderswo. Das bedeutet, Wirkstoffe müssen zumeist in hoher Dosis eingesetzt werden und können Nebenwirkungen verursachen. Die sind im Falle der Kopfschmerztablette zumeist wenig gravierend, machen aber den systemischen Einsatz vieler anderer Wirkstoffe problematisch.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) wollen daher Systeme entwickeln, mit denen sich künftig Medikamente zielgerichtet an den Ort ihrer Bestimmung lotsen und die Wirkstoffe punktgenau dort abliefern lassen, wo sie gebraucht werden. Im neuen Sonderforschungsbereich (SFB) „PolyTarget“, der an der Uni Jena eingerichtet wird, sollen polymerbasierte, nanopartikuläre Trägermaterialien zur zielgerichteten Applikation von pharmazeutischen Wirkstoffen entwickelt werden. Wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) am Freutag (25. Mai) bekanntgegeben hat, wird sie den Sonderforschungsbereich „PolyTarget“ zunächst für vier Jahre mit rund zehn Millionen Euro fördern.
Beteiligt sind neben Chemikern, Materialwissenschaftlern, Pharmazeuten und Biochemikern der FSU auch Mediziner des Universitätsklinikums Jena (UKJ) sowie Wissenschaftler der Jenaer Leibniz-Institute für Photonische Technologien (IPHT), für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (HKI) sowie für Alternsforschung (FLI). „Wir wollen Wirkstoffe in winzige Polymer-Partikel verpacken“, erläutert Prof. Dr. Ulrich S. Schubert, der Sprecher des neuen Forschungskonsortiums. „Je nach Wirkstoff und Zielort werden wir die Partikel hinsichtlich ihrer Funktionen maßschneidern“, so der Chemiker und Materialforscher mit Verweis auf den Medizin-Nobelpreisträger Paul Ehrlich. Der beschrieb bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine solche Vision: „Wir müssen lernen, magische Kugeln zu gießen, die gleichsam wie Zauberkugeln des Freischützen nur die Krankheitserreger treffen.“
Dass die im Jenaer SFB entwickelten Polymer-Partikel ihre Ziele erreichen werden, hat mit „Magie“ allerdings nichts zu tun: Durch die Ankopplung von Antikörpern, Peptiden oder anderen Molekülen mit bestimmten Erkennungsstrukturen wird gewährleistet, dass die Partikel nur an das gewünschte Zielgewebe andocken. Um die Zirkulationszeit im Körper zu erhöhen und unerwünschte Wechselwirkungen mit Proteinen zu minimieren, können die Nanopartikel mit sogenannten „Stealth“-Polymeren praktisch „unsichtbar“ gemacht werden. Zur Diagnostik werden zudem Farbstoffe in die Trägermaterialien eingeschlossen oder an diese gebunden. „Bei all dem werden wir mit hochaktuellen Hochdurchsatz-Methoden arbeiten, bei denen Synthese- und Formulierungsroboter zum Einsatz kommen, ebenso Simulationen und Modellierungen“, macht Schubert deutlich.
Im Fokus des SFB sollen Systeme stehen, die zur Therapie von entzündlichen Krankheiten beitragen. „Damit knüpfen wir an die Schwerpunkte an, in denen wir hier in Jena bereits stark aufgestellt sind, wie die Sepsis- und die Infektionsforschung“, unterstreicht Prof. Schubert. Der Chemiker und sein Team bringen zudem ihre ausgewiesene Expertise in der Polymerforschung in den SFB ein. Bereits seit einigen Jahren arbeiten sie an Nanocontainern auf Polymerbasis und sind dabei unter anderem in zwei Runden der ProExzellenz-Initiative des Freistaates Thüringen gefördert worden. Strategische Berufungen von Professorinnen und Professoren an die FSU und eine nachhaltige Nachwuchsförderung haben darauf aufbauend ein weitverzweigtes Netzwerk von Forschern und Arbeitsgruppen entstehen lassen, dessen Kompetenzen nun im neuen Jenaer SFB „PolyTarget“ gebündelt werden.
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