„Aussöhnung zwischen Menschen, Kirche und Staat“: Unmittelbar vor dem Reformationstag verleiht die FSU Jena zwei mal die Ehrendoktorwürde
Die Friedrich-Schiller-Universität Jena begeht das 500. Reformationsjubiläum mit einem besonderen Festakt. Am Vorabend, dem 30. Oktober 2017, verleihen zwei der Gründungsfakultäten die Ehrendoktorwürde an zwei Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft, die sich um Aussöhnung verdient gemacht haben. Die Theologische Fakultät zeichnet die südafrikanische Psychologin und Versöhnungsforscherin Prof. Dr. Dr. h. c. Pumla Gobodo-Madikizela aus und die Rechtswissenschaftliche Fakultät den Altbischof Prof. Dr. Dres. h. c. Wolfgang Huber. Zum öffentlichen Festakt, der ab 18.00 Uhr in der Aula des Universitätshauptgebäudes (Fürstengraben 1) stattfindet, ist die interessierte Öffentlichkeit herzlich eingeladen.
„Der Universität Jena ist es als ,Kind der Reformation‘ wichtig, das 500. Jubiläum der Reformation angemessen zu würdigen, nachdem die Universität bereits seit vielen Jahren und besonders 2017 mit Forschungsergebnissen und zahlreichen Aktivitäten dieses historische Ereignis gewürdigt, aber auch kritisch analysiert hat“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Walter Rosenthal, der den Festakt gemeinsam mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow eröffnen wird. Pumla Gobodo-Madikizela „erhält die Würde eines Doktors der Theologie ehrenhalber in Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Verdienste um die Traumaforschung im gesellschaftlichen Kontext von Versöhnungsprozessen in Südafrika nach dem Ende der Apartheid“, lautet der Text der Urkunde. Und Wolfgang Huber wird „für seine wissenschaftlichen Verdienste um das Verhältnis von Kirche und Staat sowie die christliche Rechtsethik“ mit der Jenaer Ehrendoktorwürde ausgezeichnet.
Die heute 62-jährige Pumla Gobodo-Madikizela weiß, wie sich Apartheid anfühlt. Der aus einfachen Verhältnissen stammenden Südafrikanerin gelang es, nach dem Bachelor in Sozialer Arbeit einen Masterstudienplatz an der Rhodes University, die eigentlich Weißen vorbehalten war, zu erhalten und ihr Psychologie-Studium zu absolvieren. In ihrer Dissertation, die 2006 auf Deutsch mit dem Titel „Das Erbe der Apartheid. Trauma, Erinnerung und Versöhnung“ erschien, analysiert sie extreme Formen der Gewalt. Ihre Forschungen erzeugen weltweit Interesse im Blick auf die Psychologie von Tätern, aber auch für eine Theologie der Versöhnung und nicht zuletzt für die jüngere Geschichte Südafrikas. Dies führte auch zu einer Berufung in die Wahrheitskommission zur Untersuchung der Verbrechen während der Apartheid, deren Mitglied sie von 1996 bis 1998 war. Prof. Dr. Dr. h. c. Pumla Gobodo-Madikizela hat Professuren in den USA, Südafrika und Schweden innegehabt und lehrt seit 2016 an der Universität Stellenbosch. Bei ihren Forschungen konzentriert Gobodo-Madikizela sich vor allem auf die Thematik von Schuld, Versöhnen und Vergeben, den Dialog zwischen Täter und Opfer sowie Trauma-Erfahrungen von Individuen und in politischen Systemen. Schon länger besteht ein produktiver Kontakt mit dem Zentrum für Versöhnungsforschung (Jena Center for Reconciliation Studies) der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Diese Forschungskooperation soll mit der zukünftigen Ehrendoktorin ebenso ausgebaut werden, wie die Kooperation mit ihr im geplanten zeitgeschichtlichen Forschungsschwerpunkt zur Aufarbeitung von Diktatur- und Unrechtserfahrungen aufgebaut werden soll.
Dass die Rechtswissenschaftliche Fakultät mit dem Alt-Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prof. Dr. Dres. h. c. Wolfgang Huber, einen evangelischen Theologen ehrenpromoviert, erscheint nur auf den ersten Blick ungewöhnlich. Der inzwischen 75-jährige Huber ist wie Pumla Gobodo-Madikizela ein „Aussöhner“ zwischen den Menschen, zwischen den Kirchen sowie Kirche und Staat. Er hat als Systematischer Theologe und theologischer Ethiker darüber hinaus hervorragende Leistungen und Verdienste für die Rechtswissenschaft vorzuweisen. So kann beispielhaft auf Hubers Habilitationsschrift „Kirche und Öffentlichkeit“ verwiesen werden. Darin gibt er den Anstoß zu einer „öffentlichen Theologie“, die gerade für die Verhältnisbestimmung von Kirche und Theologie einerseits und der Verfassungs- und Rechtsordnung andererseits grundlegend ist. Huber macht deutlich, dass es um eine christliche Fundierung der Rechtsordnung und eine Positionsbestimmung des Christen und der Kirche in ihr geht. Damit hat der zukünftige Jenaer Ehrendoktor maßgeblich dazu beigetragen, Kirche und Staat noch näher zusammenzubringen. Darüber hinaus gehören Menschenrechte, christliche Rechtsethik und Staatskirchenrecht zu den wissenschaftlichen Gebieten, in denen der Theologe herausragende juristische Schriften und Analysen formuliert hat – und vorlebt. Da „Freiheit“ (Liberty) zu den Schwerpunkten der Friedrich-Schiller-Universität gehört, wird Hubers Überzeugung, dass das Christentum die Religion einer lebensdienlichen Freiheit ist, in Jena besonders geschätzt – was die Verleihung der ersten rechtswissenschaftlichen Ehrendoktorwürde an den renommierten Wissenschaftler und Kirchenrepräsentanten noch verständlicher macht.
Während des Festaktes am 30. Oktober 2017 werden der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio, sowie die Jenaer Lehrstuhlinhaberin für Praktische Theologie, Prof. Dr. Corinna Dahlgrün, in ihren Laudationes die beiden Persönlichkeiten umfassend würdigen, bevor diese selber zu Wort kommen werden. Einleitend in den Abend – aber auch unabhängig vom Festakt zu besuchen – findet um 17 Uhr in der Stadt- und Universitätskirche St. Michael ein Akademischer Festgottesdienst statt. Die Predigt hält Altbischof Prof. Dr. Christoph Kähler.
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