„Es geht doch!“: Frühe Bürgerinformation und -beteiligung in Lichtenhain durch die Stadt Jena
(JEZT / BARBARA NOWAK | 2014-09-03) – Immer wieder wurde in der Vergangenheit im Stadtentwicklungsausschuss ( SEA ) mangelhafte Bürgerbeteiligung diskutiert, allerdings mit durchaus unterschiedlichen Vorzeichen. Ging es etwa um Vierzehnheiligen, wurde bemängelt daß die Anlieger dort erst informiert worden seien, als der SEA bereits zum Thema „Gehwegausbau“ getagt hatte. Bei der Wagnergasse hingegen wurde gerügt, daß der Stadtentwicklungsausschuss erst eingebunden worden ist, als eine Bürgerversammlung bereits stattgefunden hatte. „Gott selbst kann es nicht allen recht machen“ heißt das passende Sprichwort hierfür.
In Lichtenhain gab es am Dienstag Abend eine zweieinhalbstündige Bürgerversammlung mit Diskussionen um das Thema des Straßenzustands der Lützowstraße – eingeladen hatte der Ortsteilbürgermeister – mit lebhafter Debatte um die Historie und die Zukunft der Straße. Und obwohl im SEA noch gar kein Startschuss zu der Maßnahme gefasst worden war, informierte der Kommunalservice Jena ( KSJ ) so gut er es in dieser frühen Phase konnte und war gleich mit drei Abteilungsleitern und dem Werkleiter, Herrn Uwe Feige,vor Ort.
Von Seiten der Stadträte und des Ortsteilrates Lichtenhain gab es auch eine rege Beteiligung u.a. mit der SEA-Vorsitzenden, Frau Elisabeth Wackernagel, den Ortsteilbürgermeistern Herr Müller (Lichtenhain) und Herr Gebhardt (Winzerla) sowie Frau Dr. Heidrun Jänchen von der Zählgemeinschaft FDP / Piraten im Stadtrat Jena. OTBM Müller bat zu Beginn der Veranstaltung darum, aus protokollarischen Gründen einen Tonmittschnitt anfertigen zu dürfen, wogegen es keinerlei Einwände gab.
Auch Tobias Netzband – ein für Jenapolis tätiger Experte für die Arbeit der Stadt Jena und ihrer Mitarbeiter (das Beitragsfoto in der Mitte wurde von ihm aufgenommen) – war anwesend und der hatte im Vorfeld den KSJ darüber belehren müssen, daß der Ortsteilrat (Zitat) „vor der Beschlussfassung des zuständigen Organs der Gemeinde eine angemessene Frist zur Stellungnahme zu baurechtlichen Satzungen und Planungen“ erhält. KSJ Werkleiter Uwe Feige sagte am Dienstag Abend jedoch, daß zur Lützowstraße weder eine Satzung zum Beschluss anstehe, noch Planungen vorlägen.
Seit mehr als zehn Jahren wird in Lichtenhain nun schon offiziell über den Ortsteilrat der schlechte Zustand der Lützowstraße bemängelt und deshalb habe man als Stadt Jena die Absicht, die Straße auszubauen. Alleine über diese Absicht, so Feige, sei zu entscheiden. Anlieger berichteten dann davon, daß im Jahre 2008 der untere Teilbereich der Lützowstraße von der Einmündung der Mühlenstraße bis in etwa zur Höhe der Kirche. von den Stadtwerken im Zuge von Kanalarbeiten saniert worden sei und fragten sinngemäß, weshalb die Stadt nun schon wieder Geld von den Anliegern haben wolle. Feige erläuterte, daß die Stadt Jena für diese Stadtwerke-Baumaßnahme kein Geld von den Anliegern anfordere.
Ortsteilbürgermeister Michael Müller erklärte anschließend nochmals die Verärgerung der Lichtenhainer Bürger über die nun angestrebte und potentiell Beitragspflichten auslösende Erneuerung der Lützowstrasse. Ursprünglich habe der früher für den Kommunalservice Jena tätige heutige Baubürgermeister von Plauen, Levente Sárközy, über seine Mitarbeiter Lichtenhain mitteilen lassen, daß bei der geplanten Sanierungsmaßnahme in der Lützowstraße (Zitat) „keine finanzielle Beteiligung der Anlieger“ erfolge. Weiter hieß es in dem Schreiben, so Müller: „Für die Lützowstraße ist kein grundhafter Ausbau, sondern lediglich die Ertüchtigung der sehr schlechten Oberflächenbefestigung geplant“, für die „keine zusätzlichen Kosten für die Anlieger“ anfallen würden.
KSJ-Werkleiter Feige und seine Abteilungsleiter kommentierten das Schreiben: Dies ist die Sicht des Verfassers gewesen zu einer Zeit, als dieser der Meinung gewesen sei, die Lützowstraße könne aus Mitteln der Straßeninstandhaltung „gerettet“ werden. Allerdings verfüge die Straße im oberen Bereich über keinerlei echten Straßenaufbau, habe einen teils felsigen und teils lehmigen Bauuntergrund. Mit Reparaturen oder weiteren Instandhaltungen sei hier nichts nachhaltiges mehr zu erreichen, sagte z.B. Denis Steger, als Abteilungsleiter beim KSJ für die Straßeninstandhaltung zuständig. „Hier hält nichts mehr“, sagte er und erwähnte, daß in der Vergangenheit geflickte Schlaglöcher – und deren habe die Straße viele – in Rekordzeit wieder offen waren. Andreas Harnisch, Leiter der Straßenplanung beim KSJ, erklärte, daß der Straßenzustand komplett mangelhaft sei.
Das bestätigten auch Grundstückseigentümer aus dem unteren, einst von den Stadtwerken hergestellten, Bereich der Lützowstraße, der zwar „schön“ aussehe, wie ein Anlieger sagte, aber trotzdem Mängel habe. Sie berichteten von der ungenügenden Straßenentwässerung in diesem Bereich, was Harnisch bereits wusste; seine Aufgabe, so sagte er, wäre es, sobald der SEA ein positives Votum abgibt, die Straße vom Grunde auf ordentlich zu planen und zwar so, daß die Straßenentwässerung funktioniere. Das gehe mit Reparaturen nicht mehr; deshalb nun auch die Kehrtwende in Richtung einer grundhaften Erneuerung.
Für diese Herstellungsmaßnahme sollen die beitragspflichtigen Anlieger in späteren Jahren anteilig zu Straßenbaubeiträgen nach dem ThürKAG und der Jenaer Straßenbaubeitragssatzung herangezogen werden, was Rainer Sauer, Leiter der Abteilung Beiträge erklärte. Nach derzeitigem Stand sollen hierbei geschätzt rund 240.000 Euro Kommunalbeiträge anfallen, wie Stadträtin Dr. Heindrun Jänchen erläuterte. Auch zwei Familien wären dann betroffen, die gerade ein Haus gebaut haben. Ihnen und den anderen Anliegern konnte Sauer zwar keine Zusage machen, daß es zu keiner Beitragserhebung kommt, jedoch erläuterte er die Möglichkeiten, Beiträge in Höhe von beispielhaft 5.000 oder 8.000 Euro über maximal 20 Jahre in Raten zu zahlen oder gar zinslose Stundungen zu beantragen. Dann ging es um die Frage, was denn mit dem Straßenzustand der Lützowstraße weiter passieren wird, wenn es mit einem Straßenbau noch dauert, worüber Denis Steger Auskunft gab.
Heißes Thema zum Schluss der Veranstaltung war es, wer nun die Erneuerung auslöst bzw. wer davon profitiere. Es gäbe im oberen Teil schließlich Gärten, die der Abbe-Stifung gehören würden und es wäre aus Sicht des Ortsteilbürgermeisters äußerst unfair, wenn die Alt-Anlieger für den Straßenausbau zu zahlen hätten, dann jedoch Bauanträge der Großanlieger kämen, wie Müller sagte. Hierzu erklärte Rainer Sauer, daß sich alle Anlieger an den Kosten eines Ausbaus zu beteiligen hätten, auch Stiftungen wie die Abbe-Stiftung. Hier sei u.a. die Grundstücksgröße verantwortlich für die Höhe des Beitrags. Elisabeth Wackernagel meinte hierzu, daß ein Bebaungsplan für den oberen Teil der Straße aus ihrer Sicht wohl keine gute Lösung wäre, da so etwas üblicherweise die Wohnsituation völlig verändere. Mehr Verkehr in der an sich beschaulichen Lützowstraße könne die Folge sein.
Am 09. September 2014 tagt der Ortsteilrat Lichtenhain nochmals zum Thema und Ende September befasst sich der Jenaer Stadtentwicklungsausschuss mit der Beschlussvorlage und dem Votum des Ortsteilrates. Gelobt wurde gestern aber allgemein, daß es dem städtischen Eigenbetrieb Kommunalservice Jena gelungen war, die Notwendigkeiten der anstehenden Baumaßnahme im Ort zu kommunizieren und dies, bevor überhaupt ein Startschuss zu der Maßnahme gefallen ist. So sieht frühe und transparente Bürgerinformation aus, sagte denn auch eine Bürgerin zum Ende der Veranstaltung. Besser hätte man es kaum machen können, meinte sie, außer wenn man ihr gesagt hätte, der Straßenbau koste sie nichts. „Aber Sie wollen doch nur unser bestes, nämlich unser Geld“, kommentierte sie das Ganze.
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Der Stadtentwicklungsausschuss wird sich bereits am 11.09.2014 mit der Beschlusvorlage befassen.
Danke für Ihren Hinweis.
Wenn das so ist, dann tut mir das leid für die Fehlinformation.
Ich saß zwar nicht ganz vorne im Saal, konnte aber hören, daß Frau Wackernagel sagte, in der nächsten Woche (und das wäre dann der Termin 11. September) wird das Thema in ihrem Ausschuss nicht behandelt.
Wahrscheinlich hat sich also doch noch eine neue Entwicklung ergeben.
Am 2.9 hatte ich zu dieser Veranstaltung geladen. Am 8.9. bekam ich die Tagesordnung vom SEA,am 9.9. konnte sich der Ortsteilrat 2 Stunden mit dem Thema befassen und am 11.9. wurde schon beschlossen. Soviel zum Zeitplan.