„So war das damals in der DDR und in Jena“: Eine kleine Reise zu „Delikat“-Läden, „Erichs Krönung“, „Goldbroilern“ und der „Kettwurst“
(JEZT / ZONO RADIO JENA / HARALD KAHL) – Wie war das so vor 1990, als es noch zwei Deutsche Staaten gab, mit dem Leben in der DDR und in Jena? Wie war das mit der Freizeit und der Liebe, der Freiheit und der Musik? Was konnte / durfte man machen und was nicht? Aber auch: Welche Versuche unternahm der SED-Staat, um die chronische Mangelwirtschaft auszugleichen und wie versuchten die Jenaerinnen und Jenaer, ihr Leben erträglich zu gestalten?
Diese Fragen bewegen die Jugend im Jahre 2014 ebenso wie die Senioren, die dei DDR einst mit aufgebaut haben. Insbesondere natürlich, nachdem die SED-Nachfolgepartei DIE LINKE nun sogar den Minsiterpäsidenten von Thüringen stellt. Und wie denkt die Generation 50+ darüber, was in der DDR gut oder schlecht war, denn sie war es ja, die beinahe ihr halbes Leben im Sozialistishcen Arbeiter- und Bauernstaat verbracht hat. Alle haben etwas zu kommunizieren, stellen Frage oder können Antworten geben und „JEZT – Jenas Zukunft mitgestalten“ ist mittendrin, denn nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zunkuft mitschreiben.
In dieser Folge unserer Serie geht es um das Essen und Trinken in der Deutschen Demokratischen Republik. Fangen wir einmal mit der „KuliNahrung“ an – die Trinkgewohnheiten folgen anschließend in einem weiteren Teil unserer Serie:
Über die Jahre entwickelte sich in der DDR eine ganz eigene kulinarische Kultur – und die hat sogar bis heute noch ihre Fans. Verbunden mit der üblichen Portion Ideenreichtum entstanden zu DDR-Zeiten Rezepte und Mahlzeiten, die auch Kochbücher des wiedervereinigten Deutschlands füllen. Schon die ersten Jahre der DDR waren geprägt von Selbstversorgung aus Garten und Landwirtschaft. Die Angebote in den Regalen der Konsum-Läden der Staatlichen Handelsorganisation (HO) stellten die ganz von Oben verordnete „Grundversorgung“ dar, konnten dem geneigten DDR-Bürger jedoch wenig Abwechslung und schon gar keine Exotik bieten. Obst und Südfrüchte waren stets Mangelware. Also wurden Äpfel, Erdbeeren und Pfirsiche einfach selbst gezogen. Das Kleingärtnern entwickelte sich in der DDR zu einer regelrechten Massenbewegung.
Die Konsumgenossenschaft Halle eröffnet 1956 den ersten Konsum-Selbstbedienungsladen des Landes, 1958 wurde dann sogar die Lebensmittelrationierung auf Karten aufgehoben. Hervorragende Fangquoten der Fischereiflotte machten es möglich, dass man unter dem Motto „Jede Woche zweimal Fisch – hält gesund, macht schlank und frisch“ den Verzehr von Meerestieren förderte. Und wem der Fisch nicht so zusprach, dem konnte mit dem „Goldbroiler“ geholfen werden. Nach wie vor halten sich Gerüchte, dass die Staatführung mit den gebratenen Hühnchen gleichen Namens ein Pendant zum westdeutschen „Wienerwald-Hendl“ schaffen wollte. Fakt ist aber, dass das Brathuhn im Osten ab 1966 schnell zum Dauerbrenner wurde. Für die Geflügelproduktion wurden gar teure Maschinen und Anlagen aus den sozialistischen Bruderstaaten und sogar aus Großbritannien importiert. Und in Königs Wusterhausen entstanden die Gebäude des Kombinats „Industrielle Mast“ (KIM) für die Schweinezucht. Auch hier gab es einen Slogan – dieses Mal aber nur für die Borstentiere (auch wenn mancher DDR Bürger ihn gerne auf andere „Schweine“ ausdehnte): „Saufen, fressen, faulenzen – und trotzdem den Plan erfüllen“.
Anfang der 1970er Jahre erfuhren die Speisekammern der DDR-Bürger eine weitere kulinarische Bereicherung (zumindest bei denen, die das nötige Westgeld hatten): Nun durfte nämlich auch der Ottonormalverbraucher in den staatlichen Intershops einkaufen, was zuvor strikt verboten war, denn Valuta zu besitzen war so lange strikt untersagt, bis ein Erlass des Ministerrats dieses Verbot schließlich aufhob. 1976 entwicklte der DDR-Staat noch ein Zwischenglied inmitten von HO-Konsumhallen und Intershop: die „Delikat“-Läden. Dort bot man Lebensmittel aus Importen und aus der so genannten „Gestattungsproduktion“ an. Die Preise im „Delikat“ waren wesentlich höher als in den Kaufhallen: Schokopulver kostete unfassbare 8 Mark, Westschokolade 7, eine Dose Ananas gleich mal 12 Mark. der Effekt gab dem Politbüro aber recht: Alle wollten mit einem Mal „Delikat“-Lebensmittel auf dem Tisch haben und diese wurden damit zu etwas ganz Besonderem.
Aber nicht immer lagen „die da Oben“ mit ihren Ideen und Plänen goldrichtig. Besonders dann, wenn es bei einem Produkt Engpässe gab. So wie etwa Ende der 1970er-Jahre, als der Kaffee knapp wurde. Die Regierung hatte wegen Devisenmangels den Import drastisch gekürzt und „das braune Gold“ wurde mit einem Mal zur Mangelware in der DDR. Eine krise braute sich zusammen, denn die Bewohner des Arbeiter- und Bauernstaats tranken gerne und viel Kaffee. Kein Problem, dachte man ganz Oben (was wörtlich zu nehmen war, denn Erich Honecker soll die Sache persönlich abgenickt haben), und man improvisierte: der Staat brachte einen „Kaffeemix“ als Ersatz auf den Markt in einem Verhältnis von 51 Prozent Bohnenkaffee und 49 Prozent „Ersatzstoffen“. Doch das ging gewaltig schief und landesweit verzogen Kaffeeliebhaber beim Genuss von „Erichs Krönung“ (wie das „Gesöff“ schnell getauft wurde) das Gesicht. Die Ersatzstoffe aus Zuckerrübe und Zichorie schmecken einfach nicht wie echter Kaffee. Das Gebräu sorget nicht nur für schlechte Witze sondern setzte sogar den robusten DDR-Brühautomat „Kaffeeboy“ außer Gefecht, der vor der brösligen Masse in die Knie ging.
Der anhaltende Devisenmangel sorgt in der 1980er Jahren für Engpässe vor allem bei Südfrüchten, Gewürzen, Kakao und immer wieder beim Kaffee. Manches gibt es jetzt nur noch als „Bückware“ (also persönliche Reservierung gegen Geld doer anderre Leistungen) und auch der Tauschhandel florierte. Über den Sommerurlaub am Schwarzmeer in Bulgarien kamen zusätzliche Bedürfnisse in die DDR: Fastfood, so wie bei McDonals wollte man. Also entwickelte das „Rationalisierungs- und Forschungszentrum Gaststätten“ die „Grilletta“, die – wieder von ganz Oben veranlasst – als Gegenstück zum „kapitalistischen“ Hamburger vermarktet wurde. Und es gab die „Kettwurst“ als ostdeutsche Antwort auf den Hot Dog.
Und siehe da: Gemeinsam mit dem guten alten Broiler schaffen beide schließlich nach der Wende sogar den Sprung in die Marktwirtschaft und werden seither weiter als Alternative zu etabliertem Fast Food angeboten.
Es war eben nicht alles schlecht…
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