„Ich stehe für eine andere Kommunikationskultur“: Wie ein freier OB-Kandidat mit Wählerinnen und Wählern und Gesetzen umgeht
So viel vorab: Fehler gibt es immer wieder – auch peinliche – bei allen Medien, auch gelegentlich bei uns. Im Moment aber vor allem bei dem self-made Immobilien-Unternehmer und Kandidaten für das höchste Wahlamt in unserer Stadt, Arne Petrich.
„Es wird endlich Zeit, die Dinge wieder voneinander zu trennen, wie sie in der Logik eigentlich angedacht waren.“ – So die Worte des freien Oberbürgermeisterkandidaten, von ihm geschrieben in einem anderen Zusammenhang aber zutreffend auf das, was er in den letzten Wochen den Leserinnen und Lesern seines News-Blogs Jenapolis angetan hat. Die leitete er nämlich ungefragt auf die eigene Wahlkampfseite um. Was natürlich nicht verboten ist, aber er hätte es erwähnen können, vielleicht sogar die User fragen, ob sie das wirklich wollen.
Doch anstatt diesen Machtmissbrauch die Zwangsumleitung zu kommentieren, setzte Petrich noch einen drauf und schrieb: „Jenapolis.de leitet mindestens bis zur Wahl auf meine Seiten weiter, denn ich möchte ehrlich und fair bleiben und meine Medien nicht für den Wahlkampf nutzen!“ – „NICHT“ sieht aber anders aus und das Vorgehen Petrichs war kein Fehler, noch nicht einmal ein Versagen journalistischer Sorgfaltspflicht: es war Absicht. Als der Kandidat merkte, dass man dies durchschaut hatte, änderte er zunächst zwar nicht das Konzept der Zwangsweiterleitung, löschte aber den Satz kommentalos vom Kopf seiner Wahlkampfseite. Seit heute ist das Ganze schon wieder anders anders. Jenapolis ist (natürlich ebenso kommentarlos) wieder online gegangen. – Entschuldigung: Fehlanzeige.
Der freie OB-Bewerber (dessen Kandidatur allerdings noch nicht „in trockenen Tüchern ist“, denn er braucht in den kommenden vier Wochen noch mehrere Hundert Dutzend Unterstützungsunterschriften, damit er offiziell zur Wahl am 15. April zugelassen wird) führt einen reinen Internet-Wahlkampf – heißt: keine Flyer, Plakate, Wahlkampfstände. Sein wichtigstes Wahlkampfmittel ist da die eigene Internetseite. Doch die war noch vor einem Jahr so schlecht gegen fremde Zugriffe geschützt, dass sie innerhalb kürzester Zeit | gleich fünf Mal | von unterschiedlichen internationalen Hackern | geentert wurde, die Texte und Fotos veränderten und Einblick in die Daten nahmen. Dies ist auch der Grund, weshalb google hin und wieder Arne Petrichs Seite als unsicher sperrte. Dafür verantwortlich machte Petrich jedoch den Oberbürgermeister der Stadt Jena. – Entschuldigung: Fehlanzeige.
Obwohl er darauf achten sollte, in seinem Wahlkampf eine breite Unterstützug zu erhalten, überwirft er sich zuerst den wichtigsten Vertretern mit der lokalen Presse und beleidigt später auch noch Jenaer Vereine, Bürger- und Elterninitiativen, indem er schreibt, dass die Themen der Wahlkampfgespräche mit ihm „eher in die Richtung von Individual- oder Klientelinteressen“ einzuordnen seien. Er vermute, dass es auf kommunaler Ebene viele kleine Lobbygruppen gebe, „die genau zu solchen Zeiten hyperaktiv werden oder eben einfach eine Chance sehen, kurzzeitig ihre Bedeutungslosigkeit hinter sich lassen zu können“. Wie bitte? Besser kann man es sich kaum mit seinen Wählerinnen und Wählern verderben. – Entschuldigung: Fehlanzeige.
Auf der aktuellen Wahlkampfseite hielt sich der Kandidat um das höchste Amt in unserer Stadt die ersten Wochen nicht an das sog. EU-Cookie-Law, nach dem Arne Petrich verpflichtet war, alle Besucher seiner Seite darüber aufzuklären, dass er sog. „Cookies“ nutzte, um die Daten der Leserinnen und Leser weiter zu verwenden. Diese mussten nach dem Gesetz der Petrich-Verfahrensweise sogar ausdrücklich zustimmen, doch das interessiert den OB-Kandidaten scheinbar nicht. Erst auf Hinweis der JEZT-Redaktion hin, war plötzlich der Hinweis auf der Wahlkampf-Webseite zu finden. Kommentarlos. Bis heute jedoch in englischer Sprache, die viele Leserinnen und Leser nicht verstehen. – Entschuldigung: Fehlanzeige.
Auch im letzten Jahr hielt sich Arne Petrich nicht an Gesetze, als er Mitschnitte der Liveübertragungen der Jenaer Stadtratssitzungen, die von JenaTV bzw. Radio Jena stammten, auf einem eigenen SoundCloud-Account veröffentlichte und zwar versehen mit dem Hinweis, dass jedermann und jede Frau sie ohne Einschränkung weiternutzen dürfe (= Creative Commons Lizenz, die verbindlich Namensnennung sowie Urheber- und Rechteangaben nebst eines Links zur Lizenz voraus setzt). Dem gegenüber stand und steht das Urheberrecht und die Tatsache, dass JenaTV und Radio Jena jedes Jahr Tausende Euro aufwenden um die Übertragungen für alle Bürger möglich zu machen; SoundCloud löschte schließlich die Mitschitte auf seiner Seite. – Entschuldigung: Fehlanzeige.
Zusammen mit den anderen Dingen (lesen Sie HIER Teil 1, DORT Teil 2 und DA Teil 3 meiner Bestandsaufnahme zu Arne Petrich sowie AN DIESER STELLE eine zusammenfassende Wertung der Redaktion von ZONO Radio Jena) halte ich deshalb seine Kampagne wegen ihrer äußeren Form, den Lücken im Lebenslauf und der lieblos-kommentarlosen Art mit den Wählerinnen und Wählern umzugehen, für mangelhaft vorbereitet und schlecht präsentiert. Fehlt nur noch, dass er – sofern es doch noch Petrich-Flyer geben sollte – den Wahlaufruf des parteilosen OB-Kandidaten von 2012, Andreas Mehlich, für seine Zwecke umschreibt. Dies ist genau der Andreas Mehlich, von dem Arne Petrich sagt, dass ihn seine Initiative „Unser Jena“ zur letzten Oberbürgermeisterwahl „ins Rennen schickte“. Davon ist freilich in Mehlichs Wahlaufruf von 2012 nichts zu lesen; hier heißt es „Unterstützt von: Bürger für Jena, Piraten und Die Guten“.
Im Berufsleben würde ein solcher OB-Bewerber wohl nicht zum persönlichen Gespräch eingeladen werden. Ehrlichkeit und Freundlichkeit sind da genauso wichtig, wie Zeugnisse, die belegen können, welche Tätigkeiten der Bewerber bisher ausgeführt hat.
In diesem Sinne
Ihr Rainer Sauer
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