Stadt untersagt ab sofort Wagenplatz in Löbstedt: Heute beginnt eine letzte Frist zur freiwilligen Räumung
(red + Content der Stadt Jena) – Gestern wurde im Amtsblatt der Stadt Jena Nr. 47/2018 eine den Wagenplatz im Jenaer Ortsteil Löbstedt betreffende Allgemeinverfügung bekannt gegeben. Mit ihr wird ab dem heutigen Tag die Nutzung „ortsfester Bauwagen, Wohnwagen und sonstiger ortsfest aufgestellten Fahrzeuge“ auf dem Platz in Saalenähe untersagt und deren Beseitigung angeordnet. Den Bewohnern wird jedoch eine Monatsfrist zur kostengünstigen eigenen Umsetzung gewährt; diese endet am 24.12.2018, also Heiligabend.
Auf dem Wagenplatz (ehemals: Wagenburg) befinden sich derzeit eine Vielzahl Bauwagen, Wohnwagen und sonstige Fahrzeuge, die zum Wohnen genutzt werden (wir berichteten). Das Aufstellen und Nutzen der Fahrzeuge verstößt laut der Stadt Jena gleich gegen mehrere gesetzliche Vorschriften, darunter straßenverkehrsrechtliche, baurechtliche, naturschutzrechtliche und wasserhaushaltsrechtliche. Deshalb war für den Oberbürgermeister der Stadt Jena ein ordnungsrechtliches Einschreiten geboten, so die Stadt. Dieses Vorgehen hatten die sog. Wagenbürger in einem offenen Brief zuletzt als (Zitat) „unter aller Sau“ bezeichnet.
Zur Historie: Es gibt Mitmenschen, die nicht auf herkömmliche Art und Weise in festen Behausungen oder Wohnungen leben möchten. Was für die meisten Menschen nur schwer vorstellbar ist und man wohl eher in die Aussteiger- oder Hippie-Ecke verorten würde – ein Leben im Bauwagen bei wenig Platz, ohne fließendes Wasser und mit Draußen-Toilette oder Gemeinschaftsduschen – ist für die „Anderswohner“ genau das Leben, ohne Komfort, dass sie sich erstreben, wobei es dafür vielfältige Gründe geben mag. Wenn dies auf privatem Grund oder einem Campingplatz geschieht (Beispiel ist die Scherbelburg in Leipzig, ein Gelände, das Wagenbürger der Deutschen Bahn abgekauft haben), steht diesem Lebenskonzept in der Regel kaum etwas im Wege, auf öffentlichen Straßen und Plätzen ist das Campieren einer Gruppe von Menschen jedoch dauerhaft nicht zulässig und deshalb von Kommunen zu untersagen.
Der Wagenplatz in Jena wurde unter dem alten Oberbürgermeister zunächst als Übergangslösung geduldet und mehrfach verlängert, zuletzt durch den Stadtrat (wir berichteten ebenfalls hierüber), doch die jahrelange Suche nach alternativen Standorten und Möglichkeiten der Legalisierung des Wagenparks schlug fehl. Letztendlich scheiterte der Wagenplatz „Radaue“ an den rechtlichen Rahmenbedingungen. Das Thüringer Landesverwaltungsamt hatte den Oberbürgermeister schriftlich auf die grundsätzliche Pflicht zum Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände aufmerksam gemacht. Es wurde in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass der Stadtrat keine Befassungsbefugnis in bauordnungsrechtlichen Angelegenheiten habe.
Da einer Aufforderung der Stadt Jena zur Räumung des Platzes zum 1. November 2018 nicht nachgekommen worden war (unter anderem sah man auf Seiten der „Anderswohner“ darin einen schweren Verstoß des Oberbürgermeisters gegen einen Stadtratsbeschluss, in dem dieser gebeten worden war, nach weiteren Lösungen zu suchen und so lange das alternative Wohnkonzept in Löbstedt zu dulden), wurde nun die Allgemeinverfügung erlassen. Einzelnen Bewohnern des Wagenplatzes und deren Rechtsanwältin wurde dieser Verfahrensweg bereits vor einiger Zeit am Tisch des Oberbürgermeisters angekündigt. Damit alle Bewohner und Bewohnerinnen hiervon Kenntnis erlangen wurde das Schriftstück der Allgemeinverfügung über das Amtsblatt sowie über einen Aushang am Grundstück veröffentlicht. Darüber hinaus wurde der Rechtsanwältin des Vereins das Schreiben zugestellt. HIER kann man die Verfügung lesen.
Und wie geht es nun weiter? Im MDR legte Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche gestern noch einmal seine Gründe dar: 1.) Der weitere Verbleib der derzeit rund zehn Bauwagen, Wohnwagen und sonstigen Fahrzeuge, die zum Wohnen genutzt werden auf dem sog. Wagenplatz (einem Wendehammer der Straße Am Steinbach) ist rechtlich zu unterbinden und, ja, er folge 2.) dem Stadtratsbeschluss, eine Lösung zu finden, arbeite hierfür u.a. mit dem Freistaat zusammen, um die Gesetzlichkeiten ändern zu lassen. Solange er dieser Suche nachgehe, müssten die Wagenbürger sich darauf einrichten, „herkömmlich zu wohnen“, so Nitzsche. Diese haben bereits über ihre Rechtsanwältin ankündigen lassen, mit einer Klage vor Gericht ihr Recht zu suchen … im wahrsten Sinne des Wortes.
Allerdings dürften bei einer Zwangsräumung ganz erhebliche Kosten auf jeden einzelnen Wagenbürger zukommen. Vor einiger Zeit hatte der Kommunalservice Jena bereits eine Fachfirma beauftragt, ein Angebot für eine solche Räumung, u.a. mit Hilfe von Tiefladern, sowie das anschließende Verbringen der Fahrzeuge auf einen Abstellplatz, zu stellen. Die Kosten hierfür sollen je nach Fahrzeug zwischen rund 2.300 bis etwa 5.700 Euro betragen plus im Mittel 20 Euro für den Abstellplatz je Tag und Fahrzeug. Die mehrere Seiten umfassende Allgemeinverfügung enthält auch eine Mitteilung darüber, dass es zu dulden sei, wenn die im Eigentum der Wagenbürger stehenden Fahrzeuge von dem öffentlichen städtischen Straßengrundstück entfernt werden.
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