Mit künstlicher Intelligenz das Erdsystem verstehen: Neue Studie unter Beteiligung der FSU belegt das Potenzial von „Deep Learning“ zum Verständnis der Erde
(Susanne Hejja) – Unsere Erde wird zunehmend bedroht durch eine wachsende Bevölkerung, das sich ändernde Klima und sich häufende Extremereignisse. Eine heute im Fachjournal „Nature“ veröffentlichte Studie von Jenaer und Hamburger Forschenden zeigt nun, dass Künstliche Intelligenz (KI) maßgeblich dabei helfen kann, das Klima und das Erdsystem besser zu verstehen. Das Wissenschaftsteam zeigt, dass insbesondere digitale Verfahren tiefen Lernens (Deep Learning) ihr Potenzial zum Verständnis der Erde bislang nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft haben. So lassen sich vor allem komplexe dynamische Prozesse wie z. B. Hurrikane, die Ausbreitung von Feuer und die Veränderung der Vegetation mit Hilfe von KI besser beschreiben. Im Ergebnis sollten Klima- und Erdsystemmodelle optimiert werden, wobei insbesondere neuartige Modelle, die KI mit physikalischer Modellierung verbinden, eine wichtige Rolle spielen werden.
Künstliche Intelligenz ist Schlüsseltechnologie der Zukunft
Künstliche Intelligenz (KI) wird als Schlüsseltechnologie der Zukunft angesehen. Die Bundesregierung will in Ihrer Digitalisierungsstrategie drei Milliarden Euro in Künstliche Intelligenz investieren und zielt insbesondere auf Roboter und Sprachübersetzung. Doch auch die Geowissenschaften machen sich KI zunutze, um die Flut wissenschaftlicher Daten in neue Erkenntnisse über Klimaentwicklungen und das Erdsystem umsetzen zu können. In den letzten Jahrzehnten wurden in den Geowissenschaften vor allem Eigenschaften modelliert, die über längere Zeiträume relativ beständig waren, etwa die Eigenschaften von Böden auf lokaler bis hin zur globalen Ebene. Seit einiger Zeit ist es nun möglich, dynamische Prozesse durch digitale Verfahren tiefen Lernens (Deep Learning) anzugehen. Dies erlaubte zum Beispiel die detaillierte Berechnung der globalen Photosynthese an Land unter besonderer Berücksichtigung jahreszeitlicher und kurzfristiger Schwankungen.
„Wir werden überflutet von Klima-relevanten Daten, die von einer Unzahl an Messgeräten weltweit erhoben werden, aber wir hinken mit den Analysen und Schlussfolgerungen hinterher“, erklärt Prof. Dr. Markus Reichstein, geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, Direktoriumsmitglied am Michael-Stifel Zentrum Jena (MSCJ) und Erstautor der Publikation. „Hier werden Deep-Learning-Techniken zu einem vielversprechenden Werkzeug, jenseits der üblichen Anwendungen des Maschinellen Lernens wie Bild- und Spracherkennung oder AlphaGo“, fügt Prof. Dr. Joachim Denzler, Inhaber des Lehrstuhls für Digitale Bildverarbeitung der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) und Mitglied des MSCJ, hinzu. Wichtige Anwendungsbeispiele sind Extremereignisse, wie die kalifornischen Feuerwalzen im letzten Herbst oder zerstörerische Hurrikans, die in ihrer Häufigkeit und Stärke deutlich zunehmen. Sie basieren auf vielschichtigen Prozessen, die nicht nur durch lokale Gegebenheiten beeinflusst werden, sondern in einem weltumspannenden zeitlichen und räumlichen Zusammenhang miteinander stehen. Dies gilt ebenso für atmosphärische und ozeanische Transportprozesse sowie Boden- und Vegetationsdynamiken, also einige der klassischen Themengebiete der Erdsystemwissenschaften.
KI als Werkzeug für bessere Klima- und Erdsystemmodelle
Deep-Learning-Ansätze sind allerding kompliziert. Datengetriebene und statistische Herangehensweisen sind nicht zwangsweise physikalisch stimmig, hängen stark von der Datenqualität ab und können Probleme bei der Extrapolation bereiten. Zusätzlich sind die Anforderungen an die Rechenleistung und Speicherkapazitäten enorm hoch. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diskutieren all diese Anforderungen und Schwierigkeiten in ihrem Artikel und entwickeln eine Strategie, um maschinelles Lernen mit physikalischer Modellierung effizient zu verknüpfen. Mit diesen Hybrid-Modellen können beispielsweise Temperaturen der Meeresoberfläche simuliert werden. Dabei übernehmen physikalische Modelle die Darstellung der Temperaturen, während die Ozeanströme mit Hilfe von maschinellem Lernen untersucht werden. „Die Idee dabei ist, das Beste aus beiden zu vereinen: die Übereinstimmung der physikalischen Modelle mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen und die Vielseitigkeit des maschinellen Lernens“, erläutert Reichstein. „So bekommen wir stark verbesserte Modelle.“
Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass die saisonale und langfristige Vorhersage von Wetter und Klima sowie die Frühwarnung vor Extremereignissen stark von Deep-Learning und Hybrid-Modellen profitieren werden.
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