„Die wahrscheinlich kleinsten Stabmagnete der Welt“: Forscher der FSU Jena entwickeln Modell, um Eigenschaften molekularer Magnete vorherzusagen

22.10.19 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENA, WISSENSCHAFT, MEDIZIN & TECHNIKKommentare deaktiviert für „Die wahrscheinlich kleinsten Stabmagnete der Welt“: Forscher der FSU Jena entwickeln Modell, um Eigenschaften molekularer Magnete vorherzusagen

Dr. Michael Böhme an einem Hochleistungsrechner der Universität Jena. – Foto: FSU Jan-Peter Kasper

(Marco Körner) – Der Jenaer Chemiker Michael Böhme arbeitet mit Hilfe der Computerchemie an Molekülketten, die sich wie winzige Magnete verhalten. Die Eigenschaften dieser Ketten zu berechnen, ist jedoch technisch kaum möglich. Um die Berechnungen zu vereinfachen, betrachtete er statt einer schier endlosen Kette verschieden große Ringe. Darauf aufbauend entwickelte er mit Prof. Dr. Winfried Plass vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie ein Computermodell, mit dem die Messdaten der realen Moleküle nun besser interpretiert und Eigenschaften genauer vorhergesagt werden können.

Mit dieser Arbeit, die die beiden Wissenschaftler im renommierten Fachjournal „Chemical Science“ veröffentlicht haben, wollen sie einen Beitrag leisten, solche magnetischen Systeme besser zu verstehen und zu optimieren. Sogenannte Einzelketten-Magnete sind Verbindungen, bei denen bestimmte magnetische Metall-Ionen – etwa Kobalt – wie auf einer Perlenkette aufgereiht sind. „Die einzelnen Metallzentren bilden zusammen jeweils eine magnetische Domäne“, sagt Plass, der die Arbeit betreute. „Diese Domänen können magnetische Informationen speichern.“ Deren genaue Eigenschaften lassen sich aber nur schwer interpretieren oder vorhersagen.

„Diese Systeme sind hochkomplex“, ergänzt Michael Böhme. „Zum einen sind die Ketten in der Wirklichkeit ja nicht unendlich, das heißt, auch ihre Enden wirken sich auf die Eigenschaften aus. Andererseits sind die Metallzentren nicht identisch aufgebaut. Je nachdem in welcher Reihenfolge sie angeordnet sind, wirkt sich das auch auf den Magnetismus aus, den wir am Ende im Experiment beobachten.“ Er fügt hinzu: „Das bringt die bisherigen theoretischen Modelle an ihre Grenzen, mit denen wir diese Eigenschaften interpretieren oder vorhersagen.“

Dazu komme ein weiteres Problem, sagt Prof. Plass: „Die bisher verfügbaren Computer sind nicht leistungsfähig genug, um die Eigenschaften langer Ketten zu berechnen. Für die sogenannten ab-initio-Berechnungen brauchen sie für ein einzelnes Metallzentrum etwa eine Woche. Eine komplette Domäne aus mehreren Zentren zu berechnen, ist mit aktuellen Computern nicht durchführbar.“ Bereits in den 1920er Jahren wurde das sogenannte Ising-Modell entwickelt, das magnetische Molekülketten stark vereinfacht betrachtet. „Im Wesentlichen wird das Ising-Modell seit einhundert Jahren bis heute benutzt“, sagt Plass. „Was Michael Böhme jetzt gemacht hat, war, ein weniger idealisiertes Modell auf der Basis von ab-initio-Berechnungen zu entwickeln, das näher an der Wirklichkeit liegt.“

„Neben den eigentlichen Metallzentren sind auch die Bindeglieder wichtig, die die Wechselwirkung zwischen den magnetischen Zentren vermitteln“, führt Böhme weiter aus. „Diese Informationen erhalten wir, indem wir das theoretische Modell an die tatsächlich erhaltenen Messdaten anpassen. Auf diese Weise können wir schließlich die Eigenschaften der Domänen berechnen. Das erlaubt uns auch Vorhersagen darüber, wie sich bisher unbekannte Einzelketten-Magnete verhalten.“

Statt eine quasi endlose Kette zu berechnen, wendete Böhme sein Modell auf Ringe mit drei, sechs, neun und zwölf Gliedern an. „Zwölf ist die höchstmögliche Zahl für uns, weil es hier 4.096 mögliche Zustände gibt, die berechnet werden müssen“, erklärt Böhme. Prof. Plass ergänzt: „Wir können aber von diesem Punkt aus die Eigenschaften längerer Ketten durch Extrapolation sehr gut vorhersagen. Magnetische Materialien sind sehr gut geeignet, um Informationen zu speichern. Einzelne, magnetische Moleküle haben zudem das Potenzial, viel mehr Information unterzubringen als die bisherigen Speichermedien, bei denen einzelne Bereiche magnetisiert werden.“





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