Jetzt u.a. durch FSU-Forscher bewiesen: Vor 1.000 Jahren traf ein gewaltiger Tsunami den Oman
(Johannes Seiler/Axel Burchardt) – 15 Meter hohe Wellen, die bis zu 100 Tonnen schwere Felsbrocken ins Landesinnere schoben: So ungefähr kann man sich den Tsunami vorstellen, der vor etwa 1.000 Jahren die Küste des heutigen Sultanats Oman traf. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Universitäten Bonn, Jena, Freiburg und der RWTH Aachen. Die Ergebnisse zeigen auch, wie dringend die Region ein gut funktionierendes Frühwarnsystem benötigt. Doch auch dann hätten Küstenbewohner bei einer ähnlichen Katastrophe maximal 30 Minuten Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Die Studie erscheint in der Zeitschrift „Marine Geology“, ist aber bereits online abrufbar.
Oman liegt im Osten der Arabischen Halbinsel. Die Küsten des Sultanats werden immer wieder von Tsunamis heimgesucht, zuletzt im Jahr 2013. Selbst bei dem wohl schwersten davon in jüngerer Zeit, dem Makran-Ereignis im Jahr 1945, blieben die Schäden aber vergleichsweise gering. Die Flutwelle erreichte damals eine Höhe von drei Metern.
Die Wissenschaftler sind nun aber auf die Spuren eines Tsunamis gestoßen, der mit Wellenhöhen von bis zu 15 Metern erheblich gewaltiger gewesen sein dürfte. Dazu konzentrierte das Forschungsteam aus Bonn, Jena und Aachen seine Gelände-Untersuchungen auf einen 200 Kilometer langen Küstenstreifen im Nordosten Omans. „Wir haben dort 41 große Felsbrocken identifiziert, die augenscheinlich von der Wucht des Wassers ins Landesinnere getragen wurden“, erklärt der Bonner Geowissenschaftler PD Dr. Gösta Hoffmann.
Einige der Gesteinsblöcke entstanden vermutlich, als der Tsunami Teile der Klippen zerschmetterte; für einen von ihnen – den größten mit einem Gewicht von rund 100 Tonnen – konnten die Wissenschaftler sogar den genauen Ort des Abbruchs feststellen. Andere weisen Spuren von Meeresorganismen wie Muscheln oder Austern auf, die an Land nicht überlebensfähig sind. „Mit bestimmten Methoden lässt sich ihr Todeszeitpunkt feststellen“, sagt der Geologe Hoffmann. „Auf diese Weise konnten wir bestimmen, wann die Felsbrocken an Land geschwemmt wurden.“
Dr. Christoph Grützner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist Teil des Forschungsteams. Er hat an mehreren Expeditionen teilgenommen, um die Tsunamisedimente im Oman zu erforschen. „Was wir dort sehen, ist wirklich faszinierend„, ist er überzeugt. „Diese massiven Blöcke wurden weder während der letzten Tsunamis bewegt, noch haben die stärksten Tropenstürme vergleichbare Folgen gehabt. Es muss sich daher um ein viel stärkeres Ereignis gehandelt haben, das die Riesenwellen hervorgerufen hat.„
Grützner befasst sich mit starken Erdbeben, die ihre Spuren in den geologischen Schichten hinterlassen haben. „Üblicherweise schaue ich mir dabei Sedimentschichten an, die von starken Erdbeben deformiert wurden und bestimme deren Alter mit verschiedenen Datierungsmethoden, zum Beispiel der Radiokarbonmethode. Hier jedoch konnten wir diese Methode nicht anwenden, weil das Erdbeben weit entfernt stattgefunden hat, vor der Küste Irans. Daher blieben uns nur die sekundären Effekte, um dem Beben auf die Schliche zu kommen, nämlich die Tsunamisedimente an der omanischen Küste“, erklärt er seine Arbeitsweise. „Die Spezialisten von der Uni Freiburg konnten die Alter dieser Schichten mithilfe ihrer Methoden genau bestimmen.“ Der Jenaer Geowissenschaftler unterstützte das Team bei der Probennahme und der Kartierung der Tsunamischichten. Außerdem half er dabei, die riesigen Blöcke, die der Tsunami vor rund 1.000 Jahren bewegt hat, genau zu vermessen.
„Wir hatten diese Schichten schon länger im Blick und in früheren Studien haben wir zum Beispiel geophysikalische Verfahren angewendet, um die Verteilung und die Dicke dieser Schichten zu bestimmen„, erklärt Dr. Grützner. Daraus konnten wir abschätzen, wie hoch die Wellen gewesen sein müssen. Letztlich fehlte jedoch noch die genaue Altersbestimmung, die nun vorliegt. „Damit ist klar„, so Christoph Grützner weiter, „dass das ursächliche Erdbeben weit stärker gewesen sein muss als alles, wovon wir bislang wissen. Das hat weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis der Makran-Subduktionszone.„
Im Arabischen Meer stoßen die arabische und eurasische Kontinentalplatte aneinander. Diese bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von etwa vier Zentimetern pro Jahr aufeinander zu. Dabei gleitet die eine Platte unter die andere. Manchmal verhaken sie sich in dieser Subduktionszone miteinander. Dann können Spannungen entstehen, die sich über Jahre und Jahrzehnte mehr und mehr verstärken. Wenn diese sich plötzlich mit einem gewaltigen Ruck lösen, gerät die Wassersäule über den Platten in Bewegung. Dabei können dann die extrem zerstörerischen Wellen entstehen, die für Tsunamis charakteristisch sind.
„Bislang war unklar, welches Ausmaß solche Verhakungen zwischen der arabischen und eurasischen Platte haben können“, sagt Hoffmann. Beim Makran-Ereignis von 1945 waren sie zum Beispiel lokal begrenzt. Die aktuellen Befunde sprechen aber dafür, dass sich die Spannungen auch sehr großflächig aufbauen und entladen können – anders lassen sich die gewaltigen Kräfte, die damals am Werk waren, kaum erklären. „Daher ist es außerordentlich wichtig, dass ein Tsunami-Frühwarnsystem für diese Region etabliert wurde“, betont der Geologe.
Dennoch hätte heute wohl selbst ein kleinerer Tsunami verheerende Folgen: Ein großer Teil der überlebenswichtigen Infrastruktur im Sultanat Oman wurde in Küstennähe erbaut – etwa die Ölraffinerien oder die Meerwasser-Entsalzungsanlagen. Ein gut funktionierendes Warnsystem kann aber zumindest den Bewohnern etwas Zeit verschaffen, sich in Sicherheit zu bringen. Allerdings nicht allzu viel: Tsunamis bewegen sich so schnell wie ein Passagierflugzeug; zwischen Alarm und Auftreffen der Welle würden daher auch im Idealfall kaum mehr als 30 Minuten liegen.
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