Kulturaustausch in der Antike: Orientalisten der FSU Jena setzen Forschungsarbeiten zur Sabäischen Einwanderung nach Äthiopien fort
(Ute Schönfelder) – Fast 3.000 Jahre ist es her, dass sich vom Südwesten der Arabischen Halbinsel die Sabäer auf den Weg über das Rote Meer machten. Große Gruppen dieses antiken Volkes aus dem Gebiet des heutigen Nordjemen ließen sich im nördlichen Hochland Äthiopiens und im Süden Eritreas nieder. Hier fanden sie Weihrauch, Gold und fruchtbare Böden. In Yeha, im Gebiet des heutigen Bundesstaates Tigray in Äthiopien, gründeten sie ihr politisches und religiöses Zentrum, von dem bis heute die Reste eines prächtigen Palastes und einer monumentalen Tempelanlage zeugen.
„Doch nicht nur ihre Architektur haben die Sabäer mitgebracht, sondern auch ihre politischen und religiösen Institutionen, wie wir aus zahlreichen Inschriften wissen“, sagt Prof. Dr. Norbert Nebes von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Orientalist und Epigrafiker ist einer von wenigen ausgewiesenen Experten für das antike Volk der legendären Königin von Saba. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und Forschern aus Äthiopien untersucht Nebes seit 2016 diese Einwanderungsgeschichte aus dem frühen ersten Jahrtausend v. Chr. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützte und auf zwölf Jahre angelegte Kooperationsprojekt „Kulturelle Kontakte zwischen Südarabien und Äthiopien: Rekonstruktion des antiken Kulturraums von Yeha (Tigray/Äthiopien)“ wird nun für die kommenden drei Jahre weiterfinanziert. Bis 2022 gehen damit rund 400.000 Euro an die Universität Jena. Prof. Nebes leitet das Projekt gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Iris Gerlach vom DAI.
In der nun beginnenden zweiten Projektphase ist der Ethnohistoriker und Äthiopist Dr. Wolbert Smidt zu Nebes und seinem Team gestoßen. Smidt, der die Landessprache Tigrinya fließend beherrscht, beschäftigt sich mit der lokalen Historiographie und den alten soziokulturellen Gesellschaftsstrukturen und Praktiken. Während Nebes als Epigrafiker versucht, die antike Gesellschaft anhand der Inschriften zu rekonstruieren, sammelt Smidt mit Methoden der Oral History Überlieferungen in der Bevölkerung vor Ort.
„Die Zusammenarbeit von Epigraphik, Archäologie und Ethnohistorie ist nicht nur neu, sondern überaus spannend und vielversprechend, weil wir in Äthiopien eine lang zurückreichende Erinnerungskultur haben und jahrhundertealte gesellschaftliche Strukturen vorfinden“, unterstreicht Prof. Nebes.
Ziel des Kooperationsprojekts ist es herauszufinden, wie die Sabäer während der rund 250 Jahre — von etwa 800 bis 550 v. Chr. — dauernden Besiedelung in Äthiopien lebten und wie sie mit der einheimischen Bevölkerung umgegangen sind. Prof. Nebes merkt an, dass es Hinweise darauf gibt, dass die Sabäer nicht als Eroberer kamen, sondern die Einwanderung und das Zusammenleben der Kulturen friedlich verliefen.
„Die Sabäer haben in bestimmtem Umfang die einheimische Bevölkerung in ihre Herrschaftsstrukturen integriert und selbst kulturelle und politische Praktiken aufgenommen.“ So nennen beispielsweise die äthio-sabäischen Könige in den Inschriften nicht nur ihren Vater oder Großvater, sondern auch Mutter oder Großmutter. „Die Nennung der weiblichen Herrschaftslinie war für die Sabäer in ihrer Heimat im antiken Südarabien absolut untypisch, in älteren Überlieferungen aus dem tigrayer Raum aber durchaus schon zu finden“, so Nebes. Zu klären bleibt auch, warum die Sabäer Mitte des 6. Jahrhunderts v.Chr. Äthiopien wieder verlassen haben bzw. dort spurlos verschwunden sind.
Im Rahmen des Forschungsprojekts wird Norbert Nebes zu jeweils zwei Grabungskampagnen pro Jahr nach Yeha in Äthiopien reisen. Das nächste Mal bricht er im März auf und wird dort weitere Inschriftenfunde bearbeiten.
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