Der neue „Stern von Bethlehem“… – oder: „Mein November 2014“ (von Rainer Sauer)

01.12.14 • JEZT AKTUELL, STARTKeine Kommentare zu Der neue „Stern von Bethlehem“… – oder: „Mein November 2014“ (von Rainer Sauer)

JEZT - Schreibtisch von Rainer Sauer im September 2014 - Foto © Rainer Sauer Jena

JEZT - Mein Monat LogoEs ist Advent und schon wieder sind mehr als vier Wochen vergangen und…ja…wir leben in Jena (anders als vor einem Vierteljahrhundert) in einer Demokratie und da darf jeder und jede machen was er oder sie will. Das denken zumindest viele Menschen und ignorieren als Autofahrer die Radfahrer, als Radfahrer die Fußgänger, als Fußgänger die Ampelfarben, als junger Wilder das Malverbot auf Hauswänden, als alter Mensch die Unbekümmertheit der Jugend. Vielleicht habe ich über den Jahreswechsel einmal Zeit, genauer darüber nachzudenken und ein paar Zeilen hierzu zu Papier zu bringen.

Übrigens: Welt-AIDS-Tag ist heute, das sollte man bei allen Diskussionen um Flüchtlingsströme, Rot-Rot-Grüne-Visionen, die Pkw-Maut und den „Soli“ nicht vergessen – doch das nur vorab. Was war im November 2014 aus meiner Sicht wichtig und interessant?

Da hat doch die Menschheit wieder einmal etwas zustande gebracht, von dem man lange träumte, weil es so fern schien. Einst soll ja ein Komet, der „Stern von Betlehem“, die Geburt unseres Jahreszahlenpatrons angekündigt und den Heiligen drei Königen den Weg zu seinem Geburtsort gewiesen haben. Im November des Jahres 2014 nach Christi Geburt hat nun ein von Menschen gebauten Objekt erstmals die Oberfläche eines solchen Kometen berührt und ist sogar auf ihr zum Stehen gekommen.

Nun bin ich ein interessierter Laie als Raumfahrtexperte, hatte schon als Kind hatte ich eine „Weltraumsammlung“ (wie ich 1968 meine große Kladde mit Bildern, Zeitungs- und Illustriertenausschnitten getauft hatte) und auch heute noch fasziniert mich alles, was sich im Umfeld der Raumfahrttechnik abspielt. Also hörte ich letzte Woche auch einem Vortrag von Ex-Wissenschaftsastronaut Ulrich Walter zu, der heute Professor in München ist. Der erzählte über die Sonde Philae auf dem Kometen „67P/Tschurjumov-Gerasimenko” – Spitzname: Tschuri – und mir kam es fast so vor, als erzähle er mir vom Kleinen Prinzen.

Der Abstieg von Philae auf Tschuris Oberfläche war Maßarbeit, sagte Walter, denn die Sonde landete nur 4 Meter (!) entfernt von der berechneten Landestelle. Doch, da Philae trotz eines irdischen Gewichts von rund 100 Kilogramm auf der Kometenoberfläche nur etwa ein Gramm wog und der Untergrund nicht, wie angenommen aus weichem Eis sondern aus einer nur etwa 15 Zentimeter dicken, lockeren Staubschicht besteht unter der eine felsiger Untergrund war, fand Philae keinen Halt und schraubte sich nicht auf Tschuri fest. Die Abdrücke der drei Beine in der Staubschicht konnten später von der Muttersonde Rosetta fotografiert werden.

Philae prallte also ab, unglaublich langsam stieg er nochmals nach oben, erzählte Ulrich Walter, machte einen riesigen Satz, drehte sich dabei wie ein Eisläufer bei einer Pirouette – was die Signalstärke schwanken ließ und zu Fluktuationen führte, die sich die Kontrollstation in Deutschland zuerst nicht erklären konnte – kam aber schließlich nach einem zweiten Aufsetzer und einem anschließenden weit kürzeren Sprung endlich zur Ruhe: Philae verkeilte sich mit seinen Beinen zwischen Felsen und zwar nur wenige Hundert Meter vom Rand des Kometer entfernt. Mit ein wenig Pech wäre er dabei fast vom Kometen abgeprallt und im Weltraum verschwunden.

Allerdings steht er nun, so führte es Walter aus, unter einem felsigen Überhang und stark verschattet, weshalb er nur wenig Sonnenstrahlen abbekommt und seine Sonnenenergiebatterien nicht wirklich aufladen kann. Jedoch nur vorerst. Was auf den ersten Blick wie ein Fehlschlag aussah, habe sich inzwischen, so Walter, nahezu als Glücksfall herausgestellt, denn Tschuri nähert sich jetzt mit jedem Tag schneller der Sonne an, so dass Philae die  zunehmende Solarenergie nutzen kann und – sofern er denn wieder aus seinem Tiefschlaf erwacht – die Solarbatterien wieder ordentlich Energie liefern. Besser noch, erklärte der Professor: da er im Schatten liegt, wird er nicht wie gedacht im März 2015 wegen zu großer Sonneneinstrahlung überhitzen und so seinen Geist aufgeben.

Statt also nach fünf Monaten den Hitzetod zu sterben, könnte Philae im Idealfall bis Anfang 2016 wissenschaftlich weiter verfolgen, wie sich Tschuri verhält, wenn er wieder in den Tiefen unseres Sonnensystems verschwindet. – Ist das nicht ein wahrer, neuer „Stern von Bethlehem“ für uns Menschen?

In diesem Sinne: Auf einen neuen Monat!

Ihr Rainer Sauer





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